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Die Französische Revolution

Das vorrevolutionäre Frankreich

1. Das absolutistische System

Für den Ausbruch der Französischen Revolution sind die Mißstände des absolutistischen Systems verantwortlich, insbesondere die unterschiedliche Verteilung der Lasten: Geistlichkeit und Adel waren die privilegierten Stände (als 1. und 2. Stand gezählt), sie bezogen ihren Lebensunterhalt ausschließlich aus bäuerlichen Abgaben und Leistungen sowie aus königlichen Pensionen, sie waren darüber hinaus von Steuern teilweise befreit. Zwischen Adel und Bauern stand das Bürgertum der Städte, zusammen mit den Bauern als Dritter Stand (frz. Tiers État) gezählt. Sein großbürgerlicher Teil war zwar durch die Wirtschaftspolitik des Merkantilismus reich geworden, forderte aber gerade aus dieser wirtschaftlichen Machtstellung heraus um so mehr politische Mitwirkung. Der kleinbürgerliche Teil (Handwerker und Kleinhändler) litt unter dem von den Großbürgern ausgehenden Konkurrenzdruck und trug vor allem an den allgemeinen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der 1780er Jahre. Schon unter diesem Gesichtspunkt entstand eine politisch-soziale Spannung, die dem Mißverhältnis in den lombardischen Städten des Hochmittelalters oder den deutschen Bischofsstädten des 13. Jahrhunderts ähnlich war.

 

Zu diesen Spannungen traten die politischen Gedanken der Aufklärung, wie sie wenige Jahre vorher in der Verfassung der Vereinigten Staaten formuliert wurden. Sie stilisierten die Reformunfähigkeit des Königtums unter Ludwig XVI. zur absolutistischen Tyrannei hoch, obwohl gerade dieses Königtum durch eine Fülle von Instanzen (Gerichtshöfe, Provinzialstände etc.) daran gehindert war, eine absolute Macht im Stil der Denker des 16. und frühen 17. Jahrhunderts zu errichten.

Dem privaten Reichtum der bürgerlichen Schichten stand der Bankrott des Staates gegenüber, dessen Ausgaben am Vorabend der Revolution die gesamten Einnahmen um 126 Millionen Livres (= 20% der Ausgaben) überstiegen; allein die Aufwendungen für die Zinsen der Staatsschulden verschlangen schon über die Hälfte des gesamten Etats (318 Mill. Livres oder 63% der Einnahmen!). Als Gründe für diesen Staatsbankrott sind verschwenderische Hofhaltung (6% des Etats) zu nennen und eine Serie von außenpolitischen Rückschlägen und militärischen Abenteuern - der Siebenjährige Krieg brachte den Verlust der nordamerikanischen Kolonien an England, das französische Engagement im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg auf Seiten der Amerikaner kostete an die 2 Milliarden Livres, die ausschließlich durch Anleihen gedeckt wurden. Ende der 1780er Jahre waren die Quellen für die Aufnahme weiterer Schulden versiegt, der Staat war finanziell handlungsunfähig geworden. Eine generelle Steuerreform war unumgänglich geworden. Zu dieser Krise des Staates kam eine Wirtschaftskrise, die sich bereits 1770 angekündigt hatte und 1778 voll zum Tragen kam. Sie äußerte sich besonders im Mißverhältnis zwischen Lohn- und Preissteigerungen: einem Preisanstieg von 65% (gegenüber dem Zeitraum 1726-41) standen lediglich Erhöhungen des Lohns von 22% gegenüber; die Folgen wurden noch dadurch verschärft, daß die Besteuerung bis an die Grenzen des Erträglichen ging. Da auch die Pachtzinsen stiegen, war Grundbesitz auch für das Stadtbürgertum eine sichere Anlage - immer mehr Bauern gerieten auf diese Weise in das Landproletariat.

Bei den städtischen Unterschichten, den kleinen Handwerkern und Ladenbesitzern wirkte sich die "Schere" zwischen Preis- und Lohnsteigerung besonders gravierend aus. In Zeiten der Teuerung, d.h. der Ernährungs- und Versorgungskrise, hervorgerufen durch die (das Großbürgertum begünstigende) Freigabe der Getreideausfuhr, durch Mißernten und Viehseuchen, verschlang allein der Brotpreis bereits bis zu 80% des Familieneinkommens. Er erreichte am 14. Juli 1789, am Tag der Erstürmung der Bastille, den höchsten Stand des Jahrhunderts.

Das System des königlichen Absolutismus hatte sich indessen bereits seit einiger Zeit gegen die feudalen Restaurations-bestrebungen des Adels zu behaupten. Sie äußerten sich besonders in den "parlèments" (Parlamente), vom Adel besetzten königlichen Gerichten, vor allem in dem der Hauptstadt Paris. Diese Gerichte hatten die Aufgabe und das Recht, Gesetze und Erlasse des Königs zu registrieren und ihnen damit erst Rechtskraft zu verleihen. Die Gemeinsamkeiten mit dem groß- bürgertum erschöpften sich jedoch in dieser Gegnerschaft. Der Adel der Parlèments war im wesentlichen alter Adel, der sich gegen den vom König begünstigten neuen Briefadel abzuschotten suchte.

Die Weigerung des Parlement von Grenoble, die königliche Verordnung zur Schaffung von königlichen Großen Amtsgerichten, die die Kompetenzen des Parlèment stark eingeschränkt hätte, zu registrieren, führte (wie in Dijon, Pau und Rennes) im Juni

1788 zum offenen Aufruhr, der schließlich Geistlichkeit, Adel und Mitglieder des dritten Standes zusammenbrachte. Sie forderten die unverzügliche Einberufung der Generalstände des Königreiches, um dem königlichen Machtanspruch zu begegnen.

Vor dieser drohenden Allianz des liberal denkenden Adels mit dem Großbürgertum kapitulierte das Königtum und setzte die Parlèments wieder in ihre alten Rechte ein. Diese Parlèments aber waren weiterhin vom alten Adel beherrschte Institutionen; sie waren nicht gewillt, mit dem Dritten Stand auch in Fragen der Gleichberechtigung weiter zusammenzuarbeiten.

2. Die Generalstände

Ein Ausweg aus der Finanzkrise des Staates, aus dem drohenden Staatsbankrott schien nur möglich, wenn die Einkünfte – durch Gewinnung eines allgemeinen Konsenses - erhöht würden. Durch die Rechte der Parlèments führte an einer Einberufung der Generalstände, die allein das Recht der Steuerfestsetzung hatten, kein Weg vorbei. Die Krone berief daher die Generalstände ein (8. August 1788), die zum letzten Mal 1614 zusammengetreten waren. Nach Beschluß des Pariser Parlèment (vom 21. September 1788) war die Versammlung in derselben Zusammensetzung wie 1614 einzuberufen, das heißt mit je 300 Abgeordneten des 1., 2. und 3. Standes. Am 5. Dezember wurde dem Dritten Stand eine Verdoppelung seiner Abgeordneten von 300 auf 600 Mitglieder zugestanden. Die Kernfrage des Abstimmungsmodus (nach Köpfen statt wie bisher nach Ständen) wurde jedoch nicht berührt. Abstimmung nach Köpfen und damit die Durchsetzung des Mehrheitsprinzips aber hätte die Stimmen- verhältnisse eindeutig zu Gunsten des Dritten Standes verschoben, da zahlreiche geistliche Abgeordnete und die liberalen Vertreter des Adels mit dem Dritten Stand zusammen zu Reformen bereit waren.

Zur Vorbereitung der Wahl wurden von allen drei Ständen Beschwerdehefte, "Cahiers de doléance", verfaßt, von denen die des Dritten Standes in den Urwählerversammlungen diskutiert und zur Annahme beschlossen wurden; die Vertreter der Intelligenz waren schon in diesen Versammlungen die Wortführer. Berühmt wurde die in diesem Zusammenhang entstandene Schrift des Abbé Sieyès "Qu'est-ce le Tiers État?". Die Existenz und weite Verbreitung dieser Cahiers zeigt das Fortschreiten des Pressefreiheit während der Vorbereitungen zur Wahl.

In den Beschwerden, die in den Cahiers des Dritten Standes festgehalten wurden, spiegelt sich die Interessenlage des Großbürgertums, die Beschwerdepunkte und Reformforderungen von Kleinbürgern und Bauern wurden oft gestrichen. Einhelligkeit gab es vor allem in folgenden Punkten:

-     Einschränkung der Machtbefugnisse des Königs;

-     Schaffung einer nationalen Vertretung, die Steuern bewilligt und Gesetze beschließt;

-     Schaffung gewählter Provinzialstände zur Verwaltung;

-     Neuordnung des Steuerwesens und des Staatshaushalts;

-      Garantie der Freiheit der Person und der Presse;

-      Abschaffung der innerfranzösischen Zollschranken, was vor allem den Interessen des Großbürgertums entsprach.

3. ABBÉ SIEYES: „WAS IST DER DRITTE STAND?“

Emmanuel-Joseph Sieyès (1748-1836), 1780 Generalvikar, 1788 Kanzler der Diözese Chartres und Mitglied des Ersten Standes. Sièyes schrieb seinen Aufsatz über den Dritten Stand während der Vorbereitungen zur Einberufung der Generalstände im Jahre 1788. Er erschien im Januar 1789 im Druck.

In klaren, kurzen Fragen und Antworten entwirft er das Pro-gramm einer Bevölkerungsgruppe, die sich des Mißverhältnisses zwischen Macht und politischem Einfluß bewußt wird:

Was ist der Dritte Stand?

- Alles.

Was ist er bis jetzt in derPolitischen Ordnung gewesen?

- Nichts.

Was verlangt er?

- Etwas zu sein.

 

Im Anschluß an diese Fragen stellt er fest, daß der Dritte Stand 25 Millionen Menschen vertrete und über die Interessen der Nation berate, während die anderen beiden Stände - mit der Vollmacht von ca. 200000 -nur an ihre eigenen Privilegien dächten. Da der Dritte Stand allein aber keine Generalstände im herkömmlichen Sinn bilden könne, müsse er den Rang einer Nationalversammlung annehmen.

Kernsätze seiner Flugschrift sind neben der Identität des Dritten Standes mit der Nation die Angriffe auf den Adel: für die Gesellschaft sei er nur eine Belastung, aber nicht von Nutzen, seine Privilegien seien - eben wegen seiner Nutzlosigkeit – nicht mehr gerechtfertigt. Rousseaus Gesellschaftsvertrag entspricht seine Forderung, die Nation sei die einzige Quelle von Recht und Gesetz.

In der Formulierung des "Alleinvertretungsanspruchs" lag für die Folgezeit die Rechtfertigung für den Schritt der Versammlung des Dritten Standes, sich zur Nationalversammlung zu erklären. Sieyès hatte an diesem Schritt neben Mirabeau wesentlichen, Anteil. Ebenso tragen die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte und die Verfassung von 1791 wesentlich seine Handschrift.

B. Von den Generalständen zur Revolution

1. Die Formierung der Nationalversammlung (Constituante)

Von den 291 Mitgliedern des Klerus in den Generalständen zählten über 200 zur "patriotischen Partei", die umfassenden Reformen aufgeschlossen gegenüber stand. Auch Träger hoher und höchster kirchlicher Würden waren darunter.

In der Gruppe des Adels dominierten allerdings die konservativen, auf Erhaltung ihrer Privilegien bedachten "Aristokraten". Zu ihnen gehörten von den 270 Abgeordneten 180, darunter durchaus auch Angehörige des "neuen" Amts- und des Niederen Adels. Die restlichen 90 Abgeordneten, meist zum Stand der adligen Großgrundherren zählend, gehörten zur "patriotischen Partei".

Unter der 578 Mitglieder starken Gruppe des Dritten Standes befanden sich weder Bauern noch Handwerker, sondern ausschließlich Mitglieder des Großbürgertums; es liegt im Wesen der Sache, daß sie durchweg Reformen forderten.

Die Frage des Abstimmungsmodus nach Ständen oder nach Köpfen war aufgrund dieser Kräfteverhältnisse zu einer Überlebens-frage des Ancien Régime geworden, da nur in der geschlossenen Abstimmung nach Ständen der Adel (der den Klerus politisch führte und in der Frage der Privilegien auf ihn zählen konnte) seine Überlegenheit ausspielen konnte.

Weder die Eröffnungssitzung der Generalstände am 5. Mai 1789 noch die folgenden Wochen brachten eine Entscheidung in der Frage des Abstimmungsmodus, Königtum und Adel taktierten hinhaltend. Da der Adel die Forderung des Dritten Standes, die Legitimation der Abgeordneten gemeinsam zu prüfen, kategorisch ablehnte, erklärten sich die Abgeordneten des Dritten Standes schließlich in der "Erklärung über die Konstituierung der Versammlung" vom 17. Juni selbst zur "Nationalversammlung" und nahmen das Recht, Steuern zu genehmigen, für sich in Anspruch. Auf die Entscheidung des Klerus für gemeinsame Beratungen mit dem Dritten Stand hin (19. Juni) war das Königtum in die Defensive gedrängt und versuchte, durch eine Schließung des Versammlungsraums die gemeinsame Sitzung wenn nicht zu verhindern, so doch aufzuschieben. Die Abgeordneten tagten indessen in einem nebenan gelegenen Raum, dem Ballhaus (Jeu du Paume = Ballspiel). Durch den Affront des Königs in ihrem Selbstverständnis verletzt, erklärten sie, sich niemals zu trennen und sich überall zu versammeln, wo es die Umstände erfordern sollten, bis die Verfassung errichtet sei (Ballhausschwur vom 20. Juni).

 

In der Thronsitzung vom 23. Juni wollte Ludwig XVI. die alten Beschlüsse über getrennte Sitzungen durchsetzen und die Beschlüsse des Dritten Standes für nichtig erklären. Auf sein Gebot zur Auflösung der Versammlung indessen bekräftigten die Abgeordneten des Dritten Standes ihren Beschluß vom 20. Juni und traten damit in offenen Gegensatz zum König (vgl. Heinrich von Kleists Aufsatz Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden über die Rolle Mirabeaus). Die realen Machtverhältnisse zwangen den König jedoch, am 27. Juni Adel und Klerus, soweit sie sich noch nicht mit dem Dritten Stand solidarisiert hatten, den Beitritt zur Nationalversammlung zu empfehlen.

 

Nachdem der König sich mit der Ausarbeitung einer Verfassung einverstanden erklärt hatte, konnte die staatsrechtliche Revolution als abgeschlossen betrachtet werden. Der Dritte Stand hatte den Kampf um die Anerkennung als gesetzgebende Körperschaft gewonnen. Die Ergebnisse dieser Entwicklung waren:

 

- das Königtum hatte den Weg des starren Festhaltens an der alten Ordnung verlassen und sich (notgedrungen) Konzessionen mit dem Dritten Stand zugewandt;

 die aus der Versammlung des Dritten Standes hervorgegangene Nationalversammlung erklärte sich am 9. Juli zur "Verfassunggebenden Nationalversammlung" und verwies damit den König in die Rolle eines Amtsträgers, der unter der Souveränität des Volkes stand;

 die alte Ständegliederung war – zumindest verfassungsrechtlich - aufgehoben zugunsten der einheitlichen Organisation in der Nationalversammlung, die politisch unter dem Einfluß des Dritten Standes stand;

- die alten Differenzen (Privilegien etc.) waren noch nicht ausgeräumt, mußten also mit oder ohne Kompromisse mit dem Ersten und Zweiten Stand bereinigt werden.

2. Der Druck der Massen

In der Hauptstadt hatten sich bereits während der Vorbereitung zur Wahl der Generalstände politische Clubs gebildet, die auch über die Wahl hinaus bestehen blieben. Lebensmittelknappheit und Teuerung trugen im Sommer 1789 erheblich zur Mobilisierung der Massen in Paris und auf dem Lande bei. Truppenbewegungen, die Entlassung des liberalen Ministers Necker und die Berufung eines erklärten Feindes der Revolution an dessen Stelle ließen einen Gegenschlag gegen die Revolution befürchten; es kam zu Unruhen in Paris und zur Bildung einer revolutionären Stadtverwaltung (Commune, 12. Juli) durch das Wahl-männerkollegium, d.h. durch die Gruppe, die, von den Urwählern gewählt, ihrerseits die Abgeordneten bestimmt hatten.

Sie konnten sich also insofern auf einen "demokratischen" Auftrag stützen. Bereits am folgenden Tag (13. Juli) wurde die Bürgermiliz gegründet. Um diese Bürgermiliz, die sowohl ein Schutz gegen die königlichen Truppen als auch gegen Übergriffe aus dem Volk von Paris selbst sein sollte, mit Waffen auszustatten, stürmte die Masse zunächst das Invalidenhaus, dann die schwach besetzte Bastille (14. Juli), letztere ohne nennenswerte Gegenwehr. Dennoch wurde in der Folgezeit der Sturm auf die Bastille zum Symbol der Revolution und des Sieges über das Ancien Régime hochstilisiert.

Ludwig XVI. gab, um Zeit zu gewinnen, zunächst einmal nach. Er erkannte die Pariser Stadtverwaltung (Commune) unter dem Abgeordneten Bailly und die Bürgerwehr, später Nationalgarde genannt, unter La Fayette an; daß er am 17. Juli selbst nach Paris kam, wurde von der Aristokratie als Unterwerfung und Demütigung unter die Revolution ausgelegt. Mit diesem Tag begann die Auswanderung des französischen Adels. Die Pariser Bourgeoisie indessen hatte zunächst einen vollständigen Sieg davongetragen.

 

Während sich in den Provinzstädten Bürgerwehren und revolutionäre Stadtverwaltungen bildeten, die die alte königliche Verwaltung ablösten, griff auf dem Land die Unzufriedenheit, bedingt durch allgemeine Unruhe und die Verschärfung der Versorgungskrise, um sich. Gerüchte über eine drohende Konterrevolution des Adels führten zur allgemeinen Panik, in der sich die Bauern bewaffneten (La Grande Peur, die Große Furcht). Der daraufhin ausbrechende Aufstand ließ Schlösser, Herrensitze und Klöster in Flammen aufgehen, Archive über die verhaßten Feudallasten wurden vernichtet.

Die Nationalversammlung in Versailles wurde in diesen Unruhen unter Zugzwang gesetzt; um eine Ausweitung der Übergriffe zu verhindern, erklärte sie in der Nacht vom 4. auf den 5. August 1789 alle Feudallasten und Steuerprivilegien für abgeschafft. Standesunterschiede infolge verschiedener Privilegierungen wurden zugunsten der Rechtsgleichheit der französischen Staatsbürger aufgehoben, grundherrliche Sonderrechte (aus Besitz an Sachen und Menschen) oder Sonder-und Zwangs- gerichtsbarkeiten konnten durch Loskauf abgelöst werden.

Die am 26. August verkündeten Menschen- und Bürgerrechte stehen in der Tradition sowohl von Aufklärung und Naturrecht als auch der amerikanischen Verfassung. Sie bildeten zusammen mit der Abschaffung der Feudallasten den ersten Ansatz der Nationalversammlung, dem Königreich eine Verfassung zu geben. Besonders die Menschen- und Bürgerrechte wurden als integrierter Bestandteil 1791 in die Verfassung übernommen.

Das Veto des Königs gegen die August-Beschlüsse traf zusammen mit dem Fortdauern der Versorgungsschwierigkeiten in der Hauptstadt. Das Volk von Paris, voran die Marktfrauen, marschierte nach Versailles, drang in die Nationalversammlung ein und zwang sowohl diese als auch den König, nach Paris überzusiedeln. Die Nationalversammlung war damit dem fortdauernden revolutionären Druck sowohl der Commune, der Stadtverwaltung, als auch des radikalisierten Volkes ausgesetzt. Hier waren es vor allem wieder die politischen Clubs, die in dieser Phase der beginnenden Radikalisierung als treibende Kraft wirkten (Club des Jacobins, Club des Cordeliers).

3. Die Verfassung von 1791

Die Verabschiedung der Verfassung von 1791 stand bereits unter dem Zeichen der sich verschärfenden Auseinandersetzung mit dem Königtum. Vorausgegangen war im Juni 1791 der Fluchtversuch Ludwigs XVI., der in Varennes durch seine Entdeckung scheiterte. Gründe für diese Flucht waren einmal seine prinzipielle Gegnerschaft gegen das Reformwerk der Revolution und gegen die Kirchenpolitik der Nationalversammlung, dann seine Position unter dem Druck der Pariser Volksmassen, schließlich die Hoffnung, durch Intervention von außen die alten Verhältnisse wiederherstellen zu können. Die königliche Familie indessen wurde von Varennes im Triumphzug nach Paris zurückgeführt und stand fortan unter Bewachung in den Tuilerien. Folge des Fluchtversuches war ein großer Verlust an Vertrauen und Ansehen bei der Bevölkerung und damit eine entscheidende Schwächung des monarchischen Gedankens.

 

Die Verfassung vom September 1791 gliederte Frankreich in 83 Departements, die alten, historisch gewachsenen Provinzen wurden aufgelöst. Die neuen Verwaltungseinheiten verwalteten sich ebenso wie Städte und Gemeinden selbst, alle Amtsträger wurden direkt gewählt.

Exekutive, Legislative und Justiz waren streng voneinander getrennt, der Einfluß der Königs war erheblich zurückgedrängt, wo er noch ein Vetorecht hatte, schob es Beschlüsse nur auf. Das politische Gewicht lag bei der Nationalversammlung, deren Zusammensetzung aufgrund des Zensuswahlrechts die Interessen der Bourgeoisie widerspiegelt: Es gab nur 60% der männlichen Bevölkerung das aktive Wahlrecht (Aktivbürger) und schloß vor allem Arbeiter und Bedienstete aus, das passive Wahlrecht war an eine noch höhere Steuersumme gebunden. Nur 50000 Bürger erreichten diese Qualifikation, aus ihrer Mitte wurde das Wahlmännerkollegium gewählt, das seinerseits die Deputierten in die Nationalversammlung entsandte. Vergebens versuchte die demokratisch-republikanische Minderheit nachzuweisen, daß nur das allgemeine Wahlrecht der Zusicherung der persönlichen Freiheit für den einzelnen in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte entsprechen würde.

Ludwig XVI. schwor am 14. September den Eid auf die neue Verfassung, die Frankreich in eine konstitutionelle Monarchie umwandeln sollte. Die Chancen der Monarchie waren jedoch bereits vorher verspielt - ob durch die Unvereinbarkeit der Prinzipien oder durch die Selbst-Diskreditierung des Königtums, sei dahingestellt.


C. Die Herrschaft der Nationalversammlung

1. Die Gesetzgebende Nationalversammlung

Die vereitelte Flucht des Königs hatte deutlich gemacht, daß mit ihm keine durchgreifende Änderung der bestehenden Verhältnisse zu erreichen war. Das massive Drohen eines aristokratisch-royalistischen Komplotts, verbunden mit der Gefahr einer ausländischen Intervention (Erklärung von Pillnitz, 27.8.1791) heizte die Volksstimmung sowohl gegen die Monarchie als auch gegen die gemäßigten Befürworter einer konstitutionellen Monarchie auf. In der Diskussion um den Fortbestand der Monarchie brach die "patriotische Partei" des Bürgertums in einen gemäßigten und einen radikalen Flügel auseinander (konservative Jakobiner = Feuillants, radikale Demokraten = Jakobiner - im neueren Sinn -).

 

Das neue Parlament, das sich Gesetzgebende Nationalversammlung (Assemblée nationale legislative) nannte, bestand aus folgenden Gruppierungen:

- 264 Abgeordnete, die weiterhin dem Prinzip der liberalen, konstitutionellen Monarchie, aber auch dem der Vorherrschaft der Bourgeoisie folgten und dem Club der Feuillants nahestanden;

- 136 "Linke", die dem Jakobinerclub nahestanden, unter ihnen auch Deputierte des Departements Gironde, die die Politik der

Fraktion prägten (daher der Name "Girondisten") - gleichfalls der Bourgeoisie angehörig, aber mit demokratischeren und

republikanischeren Gedanken als die Feuillants - nach dem Pariser Journalisten Brissot "Brissotins" genannt;

 

- zwischen beiden Gruppen stand die der Unabhängigen oder "Konstitutionalisten" mit 345 Abgeordneten, die wie die beiden

anderen auf der Seite der Revolution und des Bürgertums stand, aber die Politik nicht wesentlich beeinflußte;

- schließlich auf der "äußersten Linken" Befürworter des allgemeinen Wahlrechts, ohne politischen Einfluß in der

Nationalversammlung, dafür um so mehr in den Clubs und Sektionen.

Dem demokratischen Selbstverständnis der Revolution entsprach es, daß eine Wiederwahl der bisherigen Abgeordneten ausgeschlossen war, die neue Gesetzgebende Versammlung stand also in keiner personellen Kontinuität mit der alten Verfassunggebenden Nationalversammlung.

Für das politische Leben in der Hauptstadt wurden die Clubs immer wichtiger. Hier trafen sich die politisch Interessierten und die Abgeordneten. Ein wichtiger Grund für die zunehmende Radikalisierung des Jakobinerclubs könnte in dem geringeren Beitrag liegen, der es Kleinbürgern und Handwerkern ermöglichte, an den Sitzungen teilzunehmen. Die 48 Pariser Sektionen, Wahlkreisen vergleichbar, trafen sich regelmäßig zu Vollversammlungen, um die politischen Geschehnisse mitzuverfolgen und zu diskutieren. Sektionen und Clubs konnten damit von außen einen nicht geringen Einfluß auf die Nationalversammlung ausüben, zumal der größere Teil der Abgeordneten ohne festumrissenes Programm war.

 

2. Der Beginn der Revolutionskriege

Vor allem die Girondisten betrieben den Revolutionskrieg als Mittel sowohl zur Ablenkung von den inneren Schwierigkeiten als auch zur Einigung der Nation. Sie wurden nur zu bereitwillig vom König unterstützt, der in einem Krieg Frankreichs gegen das die Emigranten unterstützende Ausland - vor allem gegen Österreich als den Hort der Reaktion - ein wesentliches Mittel zur Schwächung der Revolution und zur Wiedererrichtung seiner alten Macht sah. Der Kriegserklärung vom 20. April 1792 an den "König von Böhmen und Ungarn" (also nicht an das Deutsche Reich) folgten bald die ersten französischen Niederlagen und Rückzüge. Die Stimmung in den Sektionen richtete sich mehr und mehr gegen den König, dessen Doppelspiel durchschaut wurde.

3. Der Aufstand vom 10. August

Als Befehlshaber der österreichischen Truppen richtete der Herzog von Braunschweig ein von Emigranten verfaßtes "Manifest" an die Bevölkerung von Paris (am 1. August bekanntgeworden), in dem in drohendem Ton blutige Vergeltung angedroht wurde, falls die Königsfamilie Schaden erlitte. Gleichzeitig wurde der Druck der Sektionen, die eine Abschaffung des Königtums forderten, auf die Gesetzgebende Versammlung immer stärker. Da die Girondisten aber weiterhin mit dem König zu einer Einigung zu kommen suchten, setzten die Sektionen ihre Ziele im Aufstand vom 10. August 1792 durch: die bisherige Stadtverwaltung wurde durch eine neue, von den Sektionen bestimmte ersetzt, das Volk stürmte die Tuilerien, der König begab sich in den Schutz der Gesetzgebenden Versammlung. Die setzte ihn zwar noch nicht ab, enthob ihn aber vorläufig seines Amtes.

Im Aufstand vom 10. August zeigte sich sowohl die Unfähigkeit der Feuillants, deren mäßigender Einfluß auf die Revolution gescheitert war, als auch der Girondisten, die zu lange mit dem Königtum zu einer Einigung kommen wollten. Sieger blieben die Sektionen und die von ihr berufene revolutionäre Kommune. Sie setzten auch die Auflösung der Gesetzgebenden Versammlung und die Ausschreibung von Neuwahlen nach allgemeinem und gleichem Wahlrecht durch.

Der preußische Vormarsch auf die Hauptstadt kostete in einem Akt revolutionärer Rache in Paris 1100 politischen Gefangenen das Leben, der Vormarsch selbst kam während eines strategisch unbedeutenden Geplänkels vor Valmy zum Stillstand ("Kanonade" von Valmy, 20. September -siehe Goethes Darstellung in "Campagne in Frankreich" unterm 19. September) – das alte System hatte seine Schwäche und innere Zerrüttung, das neue seine Stärke, die auf der Erhebung des ganzen Volkes beruhte, bewiesen.

Zentrum der Macht wurde, je mehr die Gesetzgebende Versammlung mit ihren eigenen, inneren Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, die aus 277 Vertretern der Sektionen bestehende Commune, die sich als "eigentliche" Vertretung der revolutionären Volks-massen empfand.

4.   Der Prozeß gegen Ludwig XVI. und der Machtkampf zwischen Gironde und Montagne

Die Neuwahlen im Sommer 1792 brachten noch der gemäßigten Gironde eine klare Mehrheit, die radikalen Demokraten, nach ihren Sitzen auf den oberen Rängen "Montagne" (Berg) genannt, blieben in der Minderheit. Sie vertraten hauptsächlich das Volk von Paris und mußten sich, um ihren Einfluß geltend zu machen, vor allem auf die Pariser Commune und die Jakobinerclubs stützen. Zwischen beiden Gruppierungen standen - wie bereits in der Gesetzgebenden Versammlung - die Unentschlossenen, verächtlich "Marais" (Sumpf) genannt. Zum führenden Kopf stieg Danton auf, der zunächst innerhalb der von der Gironde gebildeten Regierung das Justizministerium übernahm, zugleich aber das Vertrauen der Commune besaß. Seine Gegenspieler waren Robespierre und Marat, die eine radikale Gleichheitstheorie verfochten.

Die neu zusammengetretene Versammlung nannte sich National-konvent, sie erklärte in ihrer ersten Sitzung am Tag nach der Kanonade von Valmy, dem 21. September 1792, das Königtum für abgeschafft und Frankreich zur Republik.

 

Wesentlicher Punkt der Auseinandersetzung war im Herbst 1792 der Prozeß gegen Ludwig XVI. Die Gironde versuchte, die Verurteilung hinauszuzögern, wenn nicht abzuwenden, während Sansculotten und Jakobiner in der Verurteilung und Hinrichtung des Königs die notwendige logische Konsequenz aus der "Revolution" vom 10. August sahen. Mit 387 gegen 334 Stimmen wurde am 15. und 16. Januar 1793 das Todesurteil gefällt und am 21. Januar vollstreckt.

 

Das Verhalten der Gironde im Prozeß brachte einen großen Teil des Marais auf die Seite der Montagne und der Jakobiner, bei denen sich die Auffassung durchsetzte, daß die wachsenden Schwierigkeiten nur durch die Errichtung einer radikalen Republik gemeistert werden könnten. Der Machtkampf zwischen beiden Parteien spitzte sich unter dem Einfluß der wirtschaftlichen Lage, des ausbrechenden Bürgerkrieges (vor allem in der Vendee von unzufriedenen Bauern geführt) und einer Reihe militärischer Niederlagen weiter zu.

 

Die Sansculotten als Wortführer der Pariser Massen forderten dirigistische staatliche Maßnahmen, um die Not der Armen zu lindern (Preisstop, Fest- und Höchstpreise - Maxima -, Beschlagnahme von Getreidevorräten etc.). Unter diesem Druck mußte auch die Montagne Höchstpreise für Getreide und Mehl durchsetzen (Mai 1793). Organe der Montagne (und der Sansculotten) im Kampf um die Ziele der Revolution wurden das Revolutionstribunal des Konvents (ein vom Konvent errichteter Sondergerichtshof) und der am 6. April erstmals errichtete Wohlfahrtsausschuß zur Kontrolle der Ministerien. Die Montagne hatte damit zwei Instrumente in der Hand, um mißliebige politische Gegner, hauptsächlich auf der Seite der Gironde, auszuschalten.

 

Die Gegnerschaft sowohl der Montagne als auch der Sansculotten gegen die Gironde, die in den Provinzen offen die Konter- revolution betrieb (vor allem in Bordeaux und in Lyon), äußerte sich schließlich in einem organisierten Aufstand der Jakobiner. Zusammen mit den Sansculotten versuchten sie erstmals am 31. Mai, dann endgültig am 2. Juni 1793, die Gironde zu entmachten: Der Konvent wurde von Nationalgardisten umstellt, 29 Abgeordnete der Gironde und zwei ihrer Minister wurden verhaftet. Die Montagne hatte damit den Sieg über die gemäßigte Gironde errungen. Als nächstes stellte sich ihr allerdings das Problem, die Hoffnungen der Sansculotten auf eine soziale Demokratie herunterzuschrauben, ohne sie zu verprellen oder gar wieder in die Arme der Gironde zu treiben.

 

Der Widerstand der Gironde-Anhänger in der Provinz ging zusammen mit einem mehr oder weniger offenen Vortreten der aristokratischen Reaktion. Er äußerte sich im Sommer 1793 in Aufständen gegen die Pariser Zentralregierung, wurde aber von Truppen des Konvents niedergeschlagen. Zur selben Zeit wurden die wichtigsten Führer der Montagne Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses, der immer mehr zum wichtigsten Machtorgan wurde und dessen Führung Robespierre übernahm.

D. Die Diktatur der Jakobiner - Die Schreckensherrschaft

1. Die Politik des Terrors

Dem zunächst von Österreich und Preußen geführten Koalitionskrieg waren im Laufe des Jahres 1793 England, Holland, Spanien, Sardinien, Neapel, Portugal und das Deutsche Reich beigetreten. Die Widerstandsbewegungen in der Provinz konnten nur durch "Kommissare" der Montagne und durch die Hilfe regulärer Truppen niedergeschlagen werden. Am 4. und 5. September 1793 schließlich kam es zu Massendemonstrationen in Paris und zur Besetzung des Konvents, um die Ziele von Sansculotten und Sektionen durchzusetzen. Der Konvent beugte sich und erkannte am 5. September die Notwendigkeit des "revolutionären Terrors" zur Sicherung der Revolution gegen alle verfälschenden Kompromisse an, lehnte aber weiterhin eine allgemeine Preisbegrenzung ab. Der Terror schließlich wurde am 17.9. durch das "Gesetz über die Verdächtigen" legalisiert.

Die vom Konvent - unter dem Druck der Pariser Massen - beschlossenen Instrumente des Wohlfahrtsausschusses und der in

die Provinzen und zum Heer gesandten "Kommissare" waren mit diktatorischen Vollmachten ausgestattet; mit ihnen begann eine große "Säuberungsaktion" Frankreichs. Opfer der Revolutions-tribunale wurden zunächst die Königin Marie-Antoinette (16. Oktober), dann 21 Führer der Gironde, schließlich der Herzog von Orleans (6. November) und weitere Girondisten.

 

Dem wachsenden Einfluß der Sansculotten entsprach auch der Kampf gegen die Kirche, der auf drei Ebenen geführt wurde:

- die Geistlichen standen fast ausnahmslos dieser Phase der Revolution ablehnend gegenüber, - das Kirchengut konnte zur Deckung der Staatsschulden herangezogen werden (Stützung des Assignatenkurses) und

 an die Stelle des christlichen Glaubens trat eine republikanische Ersatzreligion (Kult des höchsten Wesens, Tempel der Wahrheit), an die Stelle des christlichen Kalenders ein Revolutionskalender mit dem 21. September 1792 als Beginn der neuen Zeitrechnung.

Den immer noch ungelösten und weiter sich verschärfenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten versuchte der Konvent mit dem Dekret über die Revolutionsregierung (4. Dezember 1793) zu begegnen, das alle Macht endgültig dem Wohlfahrts- und Sicher- heitsausschuß zusprach.

Ziele der Politik des Schreckens waren:

- die Herstellung der Einheit der Nation im Zeichen von Gerechtigkeit und Tugend und ohne Klassengegensätze,

- die Beseitigung sozialer Mißstände (dies vor allem auf Druck der Sansculotten),

- die Durchsetzung der Erfordernisse der Kriegswirtschaft, um alle Kräfte der Nation zur Führung des Krieges zu mobilisieren (23. August 1793 levée en masse, 29. September Höchst-preisverordnung).

 

Die Revolutionsregierung entfernte sich indessen durch die Ausschaltung der politischen Gegner sowohl auf der radikaldemokratischen Seite (Club der Cordeliers, Hinrichtung der Führer am 24. März) als auch auf der gemäßigten Seite (Hinrichtung Dantons u.a. am 5. April 1794) von den Massen.

Ein fehlgeschlagener Anschlag auf Robespierre (3./4. Juni) gab den Anlaß zu einer neuerlichen Verschärfung des Terrors in einer Reform des Revolutionstribunals, die Voruntersuchung und Verteidigung abschaffte und nur Freispruch oder Todesurteil zuließ (La Grande Terreur -der große Schrecken, 10. Juni). Während vom März 1793 bis zum 10. Juni 1794 1251 Hinrichtungen stattfanden, waren es vom 10. Juni bis zum 27. August 1376.

2. Der Sturz Robespierres

Die strenge staatliche Bevormundung durch die Kriegswirtschaft der Revolutionsregierung verstärkte den Widerstand gegen Robespierre auch innerhalb der eigenen Reihen. Die Siege der Revolution gegen äußere und innere Feinde ließen eine weitere Fortführung der bisherigen Politik nicht mehr notwendig erscheinen, Robespierre schien nur noch der Diktator, der seine eigene Macht festigen wollte. Im Konvent bildete sich eine Opposition aus rechten Jakobinern und Gemäßigten, die am 27. August eine Anklageschrift gegen Robespierre ohne Gegenstimme durchbrachte. Ein spontan inszenierter Aufstand der Kommune scheiterte, Robespierre und 22 andere wurden bereits am nächsten Tag hingerichtet. Bis zum 30. August folgten weitere 105 seiner Anhänger.

 

Das Besitzbürgertum nahm die Macht wieder an sich und hob schrittweise die staatlichen Maßnahmen zur Durchsetzung der Zwangswirtschaft auf. Der Jakobinerklub wurde geschlossen. Der Wohlfahrtsausschuß behielt nur noch in der Außenpolitik ein Mitspracherecht. Ein Aufstand von Sansculotten im April/Mai 1795 wurde blutig niedergeschlagen. In den Provinzen wütete der "weiße Terror" gegen die Anhänger der Jakobiner. Die Bourgeoisie schien zwar der bessere Garant eines gesellschaftlichen Gleichgewichts zu sein, doch war von vornherein eine Rückkehr zu den Zuständen von vor 1789 ausgeschlossen.

 

Der Konvent löste sich nach der Annahme einer Direktorialverfassung am 23.9.1795 auf, die Spitze des Staates bildete fortan das aus fünf Direktoren gebildete Direktorium, die neue Nationalversammlung wurde nach der Verfassung zu zwei Dritteln aus den Mitgliedern des alten Konvents gebildet, hier hatten die gemäßigten Republikaner die Mehrheit. Das Wahlrecht zur Nationalversammlung war wieder ein Zensuswahlrecht, das die Besitzbürger einseitig begünstigte und die ärmeren Schichten vom politischen Leben ausschloß. Bei der Niederschlagung eines royalistischen Aufstandes im Oktober 1795 tat sich ein junger General namens Napoleon Bonaparte durch besonders rücksichtslosen Gebrauch der Artillerie hervor.

 

Aber auch die Republikaner waren nicht in der Lage, den Staatsbankrott abzuwenden; die völlig entwerteten Assignaten, Anweisungen auf verstaatlichtes Kirchengut, wurden am 19.2.1796 endgültig abgeschafft. Auch die Republikaner errichteten im Staatsstreich vom 4.9.1797 eine diktatorische Regierung, konnten indessen ihren raschen Prestigeverlust nicht aufhalten. Der Staatsstreich Napoleons vom 18. Brumaire (9.11.1799) war daher die folgerichtige Antwort auf die Unfähigkeit des Direktoriums. Stütze seiner Macht war aber neben dem Großbürgertum, dessen wirtschaftliche Rechte er unangetastet ließ, die Armee, die er auf den europäischen Kriegsschauplätzen von Sieg zu Sieg führte.

E. Die bleibenden Errungenschaften der Revolution

1.   Von der Ständegesellschaft zur Nation gleichberechtigter Bürger

Das Ancien Régime Ludwigs XVI. war zur Lösung der Finanzkrise unter dem Vorsatz angetreten, die seit 1614 nicht mehr einberufene Ständeversammlung über eine Finanzreform beraten zu lassen. Es war aber zunächst nicht bereit, dem mit dem gestiegenen wirtschaftlichen Potential des Bürgertums gewachsenen politischen Selbstbewußtsein des Dritten Standes nachzukommen. Königtum, Adel und Parlement gestanden dem Dritten Stand zwar eine Verdoppelung seiner Abgeordnetenzahl, aber nicht das entscheidende Mehrheitsstimmrecht zu.

Nach der Erklärung zur einzig legitimen Nationalversammlung schaffte der Dritte Stand die feudalen Standesprivilegien ab und erhob die - aus Aufklärung und Naturrecht herkommenden - Menschen- und Bürgerrechte zum obersten Verfassungsprinzip.

Immer noch war aber das Wahlrecht an Besitz geknüpft. Diese Ungleichheit zu beseitigen blieb Sache der unter dem Druck der Massen stehenden Jakobiner. Verwaltungs- und militärische Posten waren allen Franzosen offen geworden, die Verwaltung der Departements und Gemeinden wurde streng demokratisch organisiert. Es bedurfte allerdings noch einiger Zeit, bis der Gedanke der absoluten Rechtsgleichheit sich nach der bürgerlichen Restauration allgemein durchsetzen konnte.

Von der politischen Gleichberechtigung zu trennen ist der Charakter des Staates, der im Absolutismus Ludwigs XVI. in der Person des Königs und im Hof seinen Kristallisationspunkt fand, vom Nationalkonvent im September 1792 aber als "eine, unteilbare Republik" der Franzosen konstituiert wurde. Diese Bestimmung der Einheit und Unteilbarkeit war in Zukunft Bestandteil aller Verfassungen Frankreichs.

2.   Die Verfassung von 1791 als Modell eines liberalen Rechts- und Verfassungsstaates

Die Verfassung von 1791 baute im wesentlichen auf drei Prinzipien auf, die bis heute als Muster der Ver-fassungsentwicklung gelten können:

- übergeordneter Rang der Menschen- und Bürgerrechte (der Verfassungstext legte dann die einzelnen Bürgerrechte ausdrücklich fest),

- alleinige Gesetzgebungsbefugnis der Nationalversammlung,

- Gewaltenteilung in Exekutive, Legislative und Justiz ohne gegenseitige Einflußnahme.

Bereits die Aufhebung der feudalen Sonderrechte zeigte mit der Abschaffung der feudalen Gerichtsbarkeiten einen vierten Punkt:

- Rechtsgleichheit aller Bürger (Für keinen Teil der Nation ... gibt es mehr irgendein Privileg oder eine Ausnahme vom gemeinsamen Recht aller Franzosen).

Die Verfassung der konstitutionellen Monarchie beließ den König nicht mehr in einer übergesetzlichen Stellung (L'État c'est moi), sondern stellte das Gesetz über ihn (Es gibt in Frankreich keine Autorität, die über dem Gesetz steht. Der König regiert nur durch dieses. Der König selbst ist ... von Gottes Gnaden und durch das Verfassungsgesetz des Staates König der Franzosen).

3. Die Armee

Die patriotische Begeisterung für die Sache der Revolution und für die Verteidigung des Vaterlandes wirkte sich in der Organisation der Armee aus. Sie bestand hauptsächlich aus Freiwilligen und war Instrument der Revolution selbst; infolgedessen fiel die Identifizierung mit ihr leicht. Sie stand selbst innerhalb der revolutionären Propaganda. Gegenüber den auf starren Drill ausgerichteten Armeen der Koalition hatte sie weder Deserteure noch Versorgungsprobleme zu fürchten. Sie konnte der unbeweglichen Schlachtordnung deshalb eine weitaus beweglichere Kampftechnik entgegenstellen (Tirailleurtaktik) und zeigte darin ihre Überlegenheit.

Die Armee war außerdem Trägerin des missionarischen Gedankens der Revolution und hatte von den Organen der Revolution den Auftrag, sowohl das alte System (besonders Österreich als Hort der Reaktion) zu stürzen, als auch den "unterdrückten Völkern" die Freiheit zu bringen. Bezeichnend hierfür ist die Ausrufung von Republiken in den eroberten Gebieten (siehe Zeittafel).

F. Probleme und Schwierigkeiten der Revolution

Das Hauptproblem, das die ganze Revolutionszeit durchzog, war das Aufeinandertreffen von innerer Dynamik und äußeren Ereignissen: jene hervorgerufen durch die sozialen Spannungen, die auch die Träger der Revolution (bes. die Gironde) nicht zu beseitigen vermochten, diese durch die Revolutionskriege, die als Mittel revolutionärer Politik angesehen wurden, aber zurückwirkend wieder die Politik der Revolution beeinflußten.

Die sozialen Differenzen entstanden fast gesetzmäßig im Verlauf der Revolution, da die Interessen des Großbürgertums und der Handwerker und Arbeiter zwangsläufig kollidieren mußten. Die Pariser Massen, besonders die Sansculotten, erhoben weit radikalere Forderungen, was die Reform des Wirtschaftslebens anging, als die Bourgeoisie, sie setzten aber vor allem diese radikalen Forderungen auch mit Druck und Gewalt durch. Das Bürgertum verhielt sich demgegenüber zurückhaltender, da eine Politik der Preisbeschränkungen und Zwangsbewirtschaftung ihren (liberalen) Interessen widersprach. Auch die Kriegswirtschaft mit ihrem staatlichen Zwang diente mehr den Interessen des Großbürgertums als der städtischen Massen. Da das Bürgertum sich die Machtmittel zu erhalten verstand, mußten die Sansculotten letztendlich unterliegen, auch wenn sich die radikalen Jakobiner zeit weise ihre Forderungen zu eigen machten.

Ausdruck dieser Differenzen ist der Zwiespalt zwischen Verfassungstheorie und politischer Wirklichkeit, wie sie sich in der Ausformulierung des Wahlrechts widerspiegelt. Trotz der formulierten Rechtsgleichheit beruhte die Volkssouveränität nach der Verfassung von 1791 auf dem Nachweis von Besitz, der erst das Wahlrecht brachte.

Durch die Radikalisierung war die Revolution insofern zum Scheitern verurteilt, als sie die politischen und wirtschaftlichen Probleme Frankreichs nicht mit Lösungskonzepten anging, sondern durch revolutionären Schwung zu überdecken suchte. Je mehr der Wohlfahrtsausschuß daher zu Unterdrückungsmechanismen griff, um so mehr verstärkte er den Widerstand gegen seine Politik. Die Reaktion der Bourgeoisie und die Hinrichtung Robespierres sind daher letztlich nur die Antwort auf diese Radikalisierung.

5. Napoleon - Bruch mit der Revolution oder Kontinuität?

Da die Frage nach der revolutionären Kontinuität der napoleonischen Herrschaft sich nicht eindeutig mit ja oder nein beantworten läßt, ist zu diskutieren, inwieweit Napoleon in der revolutionären Tradition steht: einerseits zeigen sich wohl Punkte, die ihn direkt in die Nachfolge der Revolution stellen, andererseits werden aber auch Punkte deutlich, in denen er sich vom Gedankengut der Revolution entfernt; zum dritten schließlich sind auch Bereiche zu nennen, die sich nicht eindeutig in die Rubriken Kontinuität oder Bruch einreihen lassen.

Napoleon behielt folgende Errungenschaften der Revolution bei:

-     bürgerlicher Charakter der Gesellschaft mit allgemeinem Staatsbürgertum und persönlicher Rechtsgleichheit;

-     Sicherung der persönlichen Freiheit;

-     privatkapitalistischer Charakter der Wirtschaft mit Aufstiegsmöglichkeit für jeden;

-     zentralistischer Charakter des Staatsaufbaus und

-     Beibehaltung der Verwaltungsorganisation.

Dagegen entfernte er sich in folgenden Punkten z.T. erheblich von den Gedanken der Revolution:

-     Einschränkung der politischen Freiheit, der Rechte der selbständigen Mitwirkung und Mitbestimmung;

-     Ersetzung der allgemeinen und freien Wahlen durch ein scheindemokratisches Plebiszit;

-     Wiedereinführung der Monarchie.

Zu berücksichtigen sind indessen die veränderten Verhältnisse, die geradezu nach einem "starken Mann" verlangten, der das unbeliebte Direktorium mit seinen Mißerfolgen beseitigte und durch eine militärisch begründete Machtposition Frankreichs ersetzte. Insofern steht Napoleon also in unmittelbarer Kontinuität des nationalen Gedankens, wie er am Beginn der Revolutionskriege in patriotischer Begeisterung aufkam.

 

In folgenden Punkten muß die Frage nach der Kontinuität differenziert gesehen werden: Die Kirche mußte zwar auf die durch die Revolution säkularisierten Güter verzichten, konnte aber ihre Wirkung - sogar mit Hilfe des Staates - frei entfalten;

Die Mehrzahl der emigrierten Adligen kehrte nach Frankreich zurück, mußte aber die Besitzveränderungen anerkennen - ihr neuer Platz war in der bürgerlichen Gesellschaft, nicht mehr innerhalb eines privilegierten Standes;

 

Die Verwaltung wurde zwar in ihrer Organisation beibehalten, aber ausschließlich von oben gesteuert: Präfekten und Bürgermeister wurden von der Zentralregierung in Paris ernannt, das demokratische Element im Verwaltungsaufbau trat zugunsten eines zentralistischen Elements zurück.

 

In der Außenpolitik wurde als Erbschaft der Revolution die Politik der "natürlichen Grenzen" Frankreichs, die durch Eroberungen zu gewinnen waren, fortgesetzt, sie diente aber mehr und mehr den Zielen eines militärisch- politischen Expansionsstrebens, das schließlich 1814/15 auf seinem Höhepunkt zusammenbrach.

 

Die Wirtschaftsordnung blieb zwar von merkantilistischen Prinzipien und den Schranken der Ständeordnung befreit, bevorzugte aber ausschließlich das gehobene Bürgertum, während für die unteren Schichten die Ungleichheit fixiert war