PRIVATEAb 01.10.1984 war Flottillenadmiral Schmähling Amtschef des Amtes für Studien und Übungen der Bundeswehr.
Wie in den vorangegangenen Verwendungen hat sich Flottillenadmiral Schmähling auch als Amtschef des Amtes für Studien und Übungen der Bundeswehr als ein
Offizier erwiesen, der sich mit großer Einsatzbereitschaft und hohem Fleiß seinen Aufgaben widmet, der vor allem auch komplexe Sachverhalte mit Vehemenz angeht und rasch zum Wesenskern vorstößt. Seine hohe
Intelligenz, verbunden mit schwungvollem Handlungswillen, kennzeichnen seine gesamte Wehrdienstzeit Er ist immer bemüht, Lösungsvorschläge aufzuzeigen, Probleme zügig zu lösen und lnitiativen zu entwickeln
- auch auf Feldern die nicht unbedingt in seinem eigentlichen Aufgabenbereich liegen. Diese Ideen vertritt er mit viel Energie, Ãœberzeugungsaufwand und Beharrlichkeit.
Die besonderen Stärken des Flottillenadmirals Schmähling liegen darüber hinaus in seinen ausgeprägt kreativen geistigen Anlagen, seiner Kontaktfähigkeit
sowie in seinem Planungs- und Organisations-verrmögen.
In seiner Tätigkeit als Amtschef Amt für Studien und Übungen hat er stets gute Leistungen gezeigt. Flottillenadmiral Schmähling ist Träger des Deutschen
Sportabzeichens, des Leistungsscheines der deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger sowie des Ritterkreuzes "Ordre National de République Malgache" (Madagaskar)
Die folgende biographische Skizze stammt aus dem Buch "Ohne Glanz und Gloria - Die Bundeswehr - Bilanz einer neurotischen Armee",
Seite 334 ff
Flottillenadmiral Elmar Schmähling: eine biographische Skizze
Warum sind Sie überhaupt Soldat geworden, ist eine in den letzten Jahren häufig an mich gestellte Frage.
Meine Antwort: Nach dem Abitur wollte ich zur Marine. Daß ein Marineoffizier auch Soldat ist, habe ich in Kauf genommen. Tatsächlich hatte ich mich nach
dem Abitur zunächst bei der Handelsmarine beworben. Für die Kapitänslaufbahn war ich damals mit zwanzig Jahren aber schon zu alt. Meine Liebe galt von je her dem Meer, das ich vor meiner Bewerbung für die
Offizierlaufbahn der Marine nur von Bildern kannte. So hat mich dann auch ab 1. September 1957 die Ausbildung und der Dienst auf dem Wasser und am Wasser sehr befriedigt. Allerdings hatte ich viel Glück.
Ungewöhnlich für einen Seemann einer kleinen Küstenmarine traf für mich zu, was für die meisten deutschen »Mariner« zum Werbeschwindel gerinnt: »Mehr erleben, das Meer erleben« Der größere Teil der
Matrosen der Bundesmarine sitzt nämlich »an Land«, Ich erlebte alle sieben Meere und besuchte Häfen auf vier der fünf Kontinente. Als Offizierschüler machte ich die praktische Bordausbildung während einer
neunmonatigen Weltreise auf dem französischen Schulkreuzer »Jeanne d'Arc« mit. Ausgedehnte Reisen folgten auf den deutschen Schulfregatten »Hipper« und »Graf Spee«, auf denen ich als Kadettenausbilder
eingesetzt war. Mein letztes Bordkommando absolvierte ich auf dem »Zerstörer 4« als Erster Offizier.
Als exotisches Intermezzo bot mir die Marine die einjährige Erfahrung und Erweiterung meines fachlichen, politischen und menschlichen Horizonts beim Aufbau
der madegassischen Küstenpolizei und bei der Ausbildungder Besatzung von fünf Küstenwachbooten, einem Geschenk der BRD. Eine faszinierende und herausfordernde Aufgabe für einen Oberleutnant zur See. Fast ein
halbes Jahr davon leitete ich ein deutsches Ausbildungsteam auf dieser wundersamen Insel Madagaskar
Die zweijährige Ausbildung zum Admiralstabsoffizier an der Führungsakademie in Hamburg führte mich zum ersten Mal mit Offizieren der Luftwaffe und des
Heeres zusammen. Zu meiner Überraschung waren das – überwiegend - ganz vernünftige Menschen. Die in Feldgrau waren vielleicht etwas verklemmt, nicht wenige verbissen auf Karriere und Aufstieg um jeden Preis
fixiert, die blaugrauen Kameraden der Luftwaffe dagegen wesentlich lockerer. Und beim turbulenten Durchzechen ganzer Nächte waren sie von niemandem zu schlagen, auch nicht von der damals noch trinkfesten Marine.
Die Hamburger Jahre, frei von hektischer Besinnungslosigkeit des täglichen Dienstes an Bord, gaben mir viel Zeit zum Nachdenken, Verstehen und Streiten. In
der Idylle der Blankeneser Führungsakademie zur Förderung neudeutscher »MilitärkuItur« (Willy Berkhahn, früherer Staatssekretär im Verteidigungsministerium und Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages,
glaubte in diesem Gelände »hinter dem Bahndamm« eine Schlangengrube ausmachen zu können!) entstanden meine Aufsätze zum »Anredeerlaß«, zum Bordzerernoniell und über den Dienst der Matrosen an Bord von
Schiffen und Booten der Bundesmarine,
Meine ersten Versuche, den »Staatsbürger in Uniform«, dieses unbekannte Wesen, in die Praxis umzusetzen, brachten mir auch den ersten richtigen Ärger
ein, Um ein Haar wäre die Versetzung als Erster Offizier auf »Zerstörer 4«, eine Verwendung, auf die ich mich wirklich freute, rückgängig gemacht worden, Warum dieser Abschnitt meiner Marinelaufbahn dann
bereits nach einem Jahr - mehr oder weniger als Rausschmiß - endete, habe ich in Kapitel VI dokumentiert. Jedenfalls war der 1. Oktober 1972 eine wichtige Zäsur: Ende der Seefahrt, Abschied von der
»schwimmenden Marine«, das Aus für den Traum vorn selbständigen Kommando als Kommandant eines Schiffes (was ich anfangs noch nicht so klar erkannte).
Aber ein Admiralstabsoffizier - das gilt auch für die privilegierten Generalstabsofiziere - »verkommt« so schnell nicht. Zwar ist die Versetzung in den
sogenannten Zentralen Militärischen Bereich (ZMiIDBw), einer Art vierter Teilstreitkraft neben Heer Luftwaffe und Marine, aus der Sicht der Marine ein Abstieg Aber - wie gesagt - als Admiralstabsoffizier ist es
eben ein Abstieg erster Klasse. Das heißt, auch im ZMiIDBw können Offiziere mit den karmesinroten Kragenspiegeln (die Marine verzichtet auf eine besondere Kennzeichnung der Offiziere, die »gleicher« als die
gewöhnlichen Truppenoffiziere sind, man kennt sich auch so) noch etwas werden.
In meiner ersten Verwendung im »Militärischen Abschirmdienst« als Führungsgehilfe eines MAD-Gruppenkommandeurs habe ich mich neugierig aber unbedarft und
noch wenig kritisch umgesehen. Ich befand mich in einem völligen Neuland. Gewiß war der Einblick in die romantisch verklärte Welt der Geheimdienste zu Anfang spannend. Aber die Realität der eher banalen und
unsensiblen, im übrigen auch ineffizienten Arbeitsweise dieser Behörde erwies sich als ernüchternd.
In dieser Phase um 1975 passierte das erste »Wunder« meiner Laufbahn. Nicht obwohl, sondern gerade weil ich mich in der Öffentlichkeit kritisch mit
militärberuflichen Fragen auseinandergesetzt hatte, erregte ich das Interesse eines Offiziers der Personalabteilung Es war der damalige Leiter des Referats für personelle Grundsatzfragen im BMVg, Oberst im
Generalstab Dr. von Krosigk, einer der Glücksfälle für die Bundeswehr, der auch zu meinem Glücksfall wurde. Weil ich »schreiben konnte« - wie er meinte-, schien ich der richtige Nachfolger für einen
anderen Marineoffizier in der Personalabteilung zu sein, der die Bundeswehr verließ; ein hochqualifizierter Offizier, dessen Kreativität und Leistungsbereitschaft im trägen Räderwerk der Militärbürokratie
zerrieben worden war. Konsequent wechselte er auf einen Posten mit wesentlich höherem Anspruch und wesentlich höherer Verantwortung in der Privatwirtschaft
Ãœberhaupt traf ich in der Personalabteilung eine ideale Konstellation an. Mit Dr. von Krosigk, seinem Vorgesetzten, Brigadegeneral Dr. Kinder, und dem
Abteilungsleiter Ministerialdirektor Dr. Schaefgen stieß ich auf zwei Offiziere und einen Beamten, bei denen allein Leistung zählte. Sie erwarteten offene Kritik und nicht - wie es in den Führungsstäben
üblich war - vorauseilenden Gehorsam, in zackiger Haltung und schneidig-schnarrendem Kommandoton vorgetragen. In den vier Jahren vertrauensvoller Zusam-menarbeit mit diesem Trio reifte das zweite Wunder meiner
Karriere. Der oberste Personalmanager der Bundeswehr faßte den Plan, mich als Amtschef des Amtes für Sicherheit und damit als Chef des MAD aufzubauen.
Immer wieder war der Militärische Abschirmdienst negativ in Erscheinung getreten. Kaum reglementiert, unzureichend kontrolliert, von den Soldaten, die
Aufstiegschancen woanders sahen gemieden und belächelt, war er stets ein Sammelbecken für Enttäuschte, Sonderlinge und mäßig Begabte. Der geheime Nachrichtendienst der Bundeswehr ist somit ein idealer
Nährboden für allerlei menschlichen Unrat: Das Ausleben von Eitelkeit, Klatsch und Intrigen, das heißt Fehlgriffe wie die im Zusammenhang mit der »Wörner/Kießling-Affäre« sind daher geradezu
systembedingt Nach einer kurzen Zwischenverwendung als Abteilungsleiter wurde ich schließlich am 1. Februar 1982 zum damals jüngsten Admiral der Bundeswehr befördert. Dies wiederum kam meinen Marinekameraden
nach all dem, was sie über mich wußten oder zu wissen glaubten, wie ein Wunder vor. Für sie gab es nur eine plausible Erklärung: Vitamin P, Pwie Protektion. Klarer Fall: Der »Genosse« Schmähling wurde
vorn »Genossen« Dr. Schaefgen vorgeschlagen und vom »Genossen« Apel zum Flottillenadmiral befördert.
Zwar habe ich es nie als ehrenrührig empfunden, fälschlich - auch gegen besseres Wissen vorn damaligen Verteidigungsminister Scholz im Fernsehen als
Mitglied da SPD bezeichnet zu werden. Es störte mich aber, daß Parteiprotektion als die einzige Erklärung für meinen Aufstieg herhalten mußte. Meine Mitgliedschaft in dieser Partei, die ich im übrigen sehr
achte, wurde so oft und so erfolgreich öffentlich behauptet, daß ich bis heute verzweifelt in allen möglichen SPD-Mitgliederkarteien gesucht werde (vielleicht sollte ich jetzt der Einfachheit halber der SPD
beitreten).
Nach der Wende schien ich auch der neuen politischen Führungsmannschaft auf der Hardthöhe wegen des falschen Stallgeruchs nicht der rechte Amtsinhaber zu
sein. Da die Chefs der geheimen Nachrichtendienste alIerlei Einblick in die Regierungsarbeit (häufig genug mit Parteiarbeit verquickt) erhalten und die Nachrichtendienste vonPolitikern gern für »sachfremde
Dienstleistungen« in Anspruch genommen werden, hat man an ihrer Spitze lieber Männer, die einem verpflichtet sind. So war das Ende dieser Verwendung absehbar. Den Anlaßmeiner Ablösung habe ich allerdings dem
damaligen Parlamentarischen Staatssekretär selbst geliefert. Aus seinem Dunstkreis wurde keine Sekunde gezögert, eine Privatangelegenheit über die Welt in die Öffentlichkeit zu lancieren. So blieb mir
versagt, eine personelle Erneuerung und damit eine durchgreifendeReform dieses Dienstes zu vollenden.
Als über meine Anschlußverwendung als Amtschef des »Amtes für Studien und Übungen der Bundeswehr« entschieden wurde, war dieser Posten noch besetzt.
Aus diesem Grund fiel mir das Glückin den Schoß, ein Jahr lang an der »Stiftung Wissenschaft und Politik« zu hospitieren. Die kurze Zeit in Ebenhausen bei München reichte aus, mich in den Bann der
Sicherheitspolitik zu ziehen. Von da an und während der fünf Jahre im Bundeswehr-Studienamt beschäftigte ich mich intensiv mit den Grundlagen der Sicherheit und Verteidigung der BRD und der NATO
Das, was ich durch meine Einblicke an Erkenntnis über die möglichen Konsequenzen des »Verteidigungfalles« gewann - als Leiter des Leitungsstabes der
größten NATO-Übung »WINTEX-CIMEX" nahm ich dreimal an allen Phasen des »gespielten Ost-West-Krieges« und zweimal an der Vorbereitung und Durchführung des Nuklearwaffeneinsatzes teil - beunruhigte
mich zunehmend immer mehr. Ich richtete ausführliche Denkschriften an den Führungsstab der Streitkräfte, an den Staatssekretär und Minister. Reaktion: hinhaltende Abwiegelung nach dem Motto: Wir wissen alles
(besser], wir tun alles, was nötig und möglich ist.
An meine Überzeugung über das Konzept des »Staatsbürgers in Uniform< anknüpfend, brachte ich meine Überlegungen und Vorstellungen über eine
dringend notwendige Reform unserer Sicherheitspolitik in Vorträgen und Aufsätzen auch an die Öffentlichkeit. Im Frühjahr 1990 veröffentlichte ich meine Kritik an der NATO-Strategie und Vorschläge zur
Überwindung der überholten Verteidigungsstrukturen in dem Buch "Der unmögliche Krieg".
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